In alter Zeit lebte einmal ein Großvater mit seinem Weib. Sie hatten einen einzigen Sohn. Da sagten die Leute: "Euch wird noch der Wolf euren Sohn auffressen!" Aber sie sprachen: "Wir werden ihn schon bewahren, wir lassen (ihn) nicht auffressen." Sie bewahrten (ihn) auch so lange, bis (er) sich eine Frau suchen wollte. Da sagten denn auch der Großvater und sein Weib: "Man kann (ihn) nicht zum Hochzeitszug lassen, vielleicht wird der Wolf ihn auffressen?" Aber anders geht es ja doch nicht, man wird ihn schon zum Hochzeitszug gehen lassen müssen. So ging er denn auch und kam mit dem Hochzeitszug zurück, aber da flog eine Menge Gänse über den Hochzeitszug, und das ganze Hochzeitsvolk lief den Gänsen nach. So blieb die Braut mit ihrem Freier allein. Da aber kam ein Wolf aus dem Wald und schleppte den Freier fort. Als die Hochzeitsburschen von der Gänsejagd zurückkamen, war der Freier nicht mehr da. Da gingen sie nach Haus, und (es) härmten sich alle sehr (darüber), daß der Freier fortgeschleppt worden war. Da härmten sich auch Vater und Mutter, daß es so geschehen war, wie vorausgesagt - die Jungfrau wurde nach Haus gebracht, aber der Sohn wurde fortgeschleppt.
Aber am Abend kam ein Bettler dorthin übernachten und sagte: "Ich ging durch den Wald und sah im Wald ein kleines Häuschen, darin brannte es im Ofen, und ich ging auch (hin), mich zu wärmen. Da schwang sich irgendjemand vor der Tür von einem Schimmel und fing an, die Kännel zu schlagen und zu singen:
"Weh meine Mutter, weh mein Vater,
Weh meine junge Jungfrau,
Es blieb der Freudenmund ungeküßt,
Der Silberbusen unumarmt!"
Da fingen Vater und Mutter an zu überlegen: "Das war doch wohl unser Sohn; wir hatten ja einen Schimmel." Da sagte die Mutter: "Ich werde am Abend in den Wald suchen gehen." So ging sie und fand auch das kleine Häuschen, und im Ofen drin brannte das Feuer. Da ging die Mutter hinter den Ofen und wartete. Da schwang sich wieder der Bursche vor der Tür vom Pferd, band es an den Ring fest, kam ins Zimmer und schlug die Kännel und sang:
"Weh mein Vater, weh meine Mutter,
Weh meine junge Jungfrau,
Es blieb mir der Freudenmund ungeküßt,
Der Silberbusen unumarmt."
Wie die Mutter das hörte, kam sie von hinter dem Ofen hervor und sagte: "Wollen wir, Söhnchen, nach Hause gehen!" Aber der Sohn sagte: "Ich kann nicht so einfach weggehen, frage den großen Gott um Erlaubnis, dann werde ich gehen." Da ging die Mutter denn auch zum großen Gott, um eine Erlaubnis zu erbitten, aber der große Gott sagte: "Gehe hin und reiße von meinem Apfelbaum drei Äpfel ab und bringe sie hierher!" Da ging sie denn los, um sie abzureißen, aber sie konnte es nicht, es wurden ihr nur Feuerfunken entgegengeworfen. Da ging die Mutter nach Hause, wie sie gekommen war.
Aber dann ging der Vater auf die Suche und gelangte wieder in das kleine Häuschen, dort brannte das Feuer im Ofen, und der Vater ging auch hinter den Ofen und hörte wieder, wie irgendjemand vor die Tür vorfuhr, daß es nur so donnerte. Da kam er wieder ins Zimmer, schlug die Kännel und sang:
"Weh mein Vater, weh meine Mutter,
Weh meine junge Jungfrau,
Es blieb mir der Freudenmund ungeküßt,
Der Silberbusen unumarmt."
Da forderte auch der Vater ihn auf: "Wollen wir, Sohn, nache Haus gehen!" Er aber sagte: "Geh, frage den großen Gott!" Da ging denn auch der Vater, Äpfel abzupflücken, aber mit Feuerfunken wurde er beworfen, so daß er sich sogar die Augen verbrannte. Da ging er ebenso zurück nach Hause und sagte: "Ich kann sie auf keine Weise holen, ich verbrannte mir gar die Augen."
Da ging auch die Jungfrau auf die Suche, gelangte auch ins Häuschen, und es brannte Feuer im Ofen. So ging auch sie hinter den Ofen und hörte, wie er wieder mit dem Pferd vor die Tür ritt und ins Zimmer kam, die Kännel schlug und sang:
"Weh mein Vater, weh meine Mutter,
Weh meine junge Jungfrau,
Es blieb mir der Freudenmund ungeküßt,
Der Silberbusen unumarmt."
Da kam die Jungfrau hervor und rief ihn heim. Aber er sagte: "Frage den großen Gott um Erlaubnis!" Da ging die Jungfrau bitten. So wurde ihr befohlen, drei Äpfel mit roten Backen abzuholen. Und Gott gab der Jungfrau Wasser und einen Birkenquast mit. So wie sie hinging, die Äpfel abzureißen, warf sie den Funken mit dem Birkenquast Wasser entgegen. Und dann ging sie den zweiten Apfel abreißen, und wieder spritzte sie Wasser. Als sie dann den dritten ergriff, versengte sie zwar ihre Haare, aber den Apfel riß sie dennoch ab und brachte ihn in Gottes Hand. Da erlaubte Gott dem Mann, nach Hause zu gehen, und sie führten ein schönes Leben: sehet, der Wolf rührte sie nie mehr an. So brachte die Jungfrau ihren Mann heim, aber Vater und Mutter hatten es nicht vermocht. Aber seht, das Sprichwort sagt ja auch: die Frau holt den Mann vom bösen Ort fort, der Mann aber bringt die Frau nicht fort.