Es war einmal ein Bauer, der hatte eine Tochter und ein Pflegekind. Das Pflegekind war eine Waise. Als die Kinder großjährig geworden waren, kam ein Freier zu dem Waisenkind. Der Freier, ein reicher Bauer aus der Ferne, wollte das Waisenkind, nicht die Bauerntochter. Die Bäuerin war sehr erbost, daß ihre Tochter verschmäht und um das Waisenkind gefreit wurde. "So soll es nicht weitergehen," dachte das zauberkundige Weib, "wenn alles nicht hilft, muß man List anwenden."
Als der Bräutigam mit dem Hochzeitszug vorfuhr, versteckte das Weib das Waisenkind im Schweinestall und machte seine eigene Tochter zur Braut. Der Hochzeitszug fährt vom Hof der Braut zum Hof des Bräutigams, das Waisenkind seufzt im Schweinestall. Der Hund aber, der zur Braut hielt, begann hinter der Tür zu bellen und öffnete schließlich die Tür. Der Hochzeitszug war schon ganz weit gekommen, als das Waisenkind nachlief und sang: "Steh, Züglein, steh!" Die Bauerntochter sang dagegen:
"Fahr, Züglein, fahr!
Das Klingen meiner Broschen,
Das Schwirren meiner Spangen,
Das Klappern meiner Fibeln,
Das Knirschen meiner Halsketten!"
Aber schon hatte der Bräutigam erkannt, daß etwas nicht in Ordnung war. Auf einer Brücke holte das Waisenkind den Bräutigam ein. Der Bräutigam nahm die Bauerntochter und setzte sie unter die Brücke, nahm das Waisenkind auf den Schlitten und fuhr nach Hause.
Ein Jahr ist vorüber. Die Großmutter geht zum Kinderbesuch. Sie schreitet über die Brücke, durch die nun ein Rohr wächst. Die Großmutter singt: "Ich zupfe, ziehe die Rohre, Ich bringe sie der Tochter meiner Tochter zum Spiel!" Die Tochter singt unter der Brücke ihrerseits: "Zupf nicht, zieh nicht, das ist die Nabelschnur deiner Tochter!"
Die Großmutter erschrak zunächst, aber nachdem sie sich erholt hatte, zog sie die Tochter unter der Brücke hervor und wanderte mit ihr zu zweit weiter.
Als sie beim Tor des Bräutigams ankamen, sahen sie, wie das Kindermädchen das Kind im Wagen auf dem Hof spazierenfuhr. Die Großmutter fragte, was die Mutter zu Haus tue. "Die Mutter reinigt den Kopf des Vaters." "Sage, daß Besucher mit ihr, deiner Mutter, sprechen wollen!" Das Kind ging und sagte es, die Mutter kam. Da aber nahm die Großmutter ein Wolfsfell und warf es dem Waisenkind um, daß es als Wölfin in den Wald lief. Ihre Tochter schickte sie zu dem Mann seinen Kopf reinigen. Sie selbst kehrte nach Hause zurück. Die Bauerntochter ging zu dem Mann des Waisenkindes und fing an, seinen Kopf zu reinigen. "Warum sind deine Hände so kalt?" fragte der Mann. "Ja, die Hände wurden schon kalt, als ich mit den Besuchern sprach."
Aber die Bauerntochter, die wie ihre Mutter eine Hexe war, hatte der Tochter keine Milch zu geben. Wohl machte sie sich Brüste aus Birkenrinde und setzte kupferne Stengel ein, aber was sollte das Kind saugen! Schon begann der Mann die Wahrheit zu begreifen und ging Hilfe suchen. Da lehrte man den Mann: "Nimm auch das Kindermädchen mit, führe es mit dem Kind aufs Feld zum breiten Stein und lehre das Kindermädchen diese Worte, die es singen muß:
"Komm nach Haus, Mutter des Kindes,
Komm das Kind säugen;
Das Kind saugt an Brüsten aus Rinde,
Nährt sich durch kupferne Stengel!"
Dann gehe selbst weg und lasse es mehrmals dahin gehen! Das Kindermädchen ging hinaus zum Stein und sang diese Worte. Bald darauf kam die richtige Mutter des Kindes aus dem Wald, legte das Wolfsfell ab, warf es auf den Stein und fing an, das Kind zu nähren. Nachdem sie das Kind genährt hatte, nahm sie sich das Wolfsfell um und lief in den Wald.
Da lehrte man den Mann: "Nimm Holz und erhitze eine Hälfte des Steins, schicke das Kindermädchen wieder singen; wirft die Mutter das Fell auf den Stein, dann verbrennt das Fell. Aber selbst mußt du in der Nähe auflauern und hurtig zupacken. Wenn sie wegen des Brandgeruchs etwas fragt, soll das Kindermädchen antworten: Unser Alter räuchert zu Hause Schweine." Der Mann erhitzte in der Nacht den Stein, und am frühen Morgen ging das Kindermädchen mit dem Kind singen. Bald kam das Weib, warf das Fell auf den Stein und begann das Kind zu nähren. Das Fell fing an, einen starken Brandgeruch zu verbreiten. Bald fragte das Weib: "Was ist das für ein Brandgeruch?" "Ach, unser Alter räuchert zu Haus Schweine." Als es dieses zum zweiten Male fragte, bekam es die gleiche Antwort.
Als das Kind mit dem Säugen fertig war, wollte das Weib das Fell nehmen, aber nur ein Stückchen davon war noch übrig. Es nahm selbst dieses, warf es sich über die Schulter und fing an zu laufen. Aber der Mann, der sich die ganze Zeit über versteckt gehalten hatte, stürzte hervor, lief ihm nach und holte es nach einem heftigen Lauf auf dem dritten Feld ein. Wenn es über das dritte Feld gekommen wäre, hätte er es nicht mehr eingeholt, und es wäre Wölfin geblieben.
Der Mann bekommt seine liebe Frau wieder und muß sie verstecken und mit der anderen (Frau) List anwenden, um die Hexe loszuwerden. Wieder lehrt man den Mann: "Grabe vor der Stubentür ein großes, tiefes Loch, füll dieses Loch mit heißem Mist; heizt den Ofen und geht euch quästen, aber bedeckt das Loch mit einem großen, weißen, reinen Laken! Wenn sie sich gewaschen hat, geht sie in die Kammer, um sich anzuziehen, und fragt, weshalb das Laken ausgebreitet sei. Bei uns ist es Sitte, daß, wenn man mit sauberen Füßen vom Waschen kommt, man dann aufs saubere Laken tritt, damit die Füße nicht schmutzig werden."
Ohne sich zu fürchten, trat das Weib aufs Laken, und nun sank das Laken mit ihr ins Bad aus kochendem Pferdemist. Bald war es aus den Augen aller entschwunden. Ein wenig später flog aus dem kochenden Mist eine Elster auf die Stange in der Vorratskammer und rief "Kätte-kätte! Kätte-kätte!" (d. h. "in die Hand"). Vorher hatte es keine Elstern gegeben, das war die Geburt der Elster nach alter Überlieferung. Nach der Überlieferung sollen die Schlange, die Katze und die Elster vom bösen Geist sein. Eine Schlange darf man nicht mit einem Gewehr erschießen: dann tötet dieses Gewehr kein Tier mehr. Die Katze hat ein zähes Leben, und die Wiedergänger zeigen sich in der Gestalt von Katzen. Die Elster wurde vom bösen Geist geboren. Das ist eine uralte Geschichte.