86. Der Tote im Mondschein

Einer Frau starb der Mann, aber er begann wiederzukommen. Eines Abends, es war schon dunkel, kam er mit großem Gepolter nach Haus und bat seine Frau um Essen. Die Frau holte Erbsensuppe. Was tat aber jener Onkel? Er schälte die Erbsen aus, die Schalen ließ er sich gut schmecken, die Erbsen aber warf er alle auf den Hof, wo aus ihnen Geld wurde. Darauf befahl (er) seiner Frau, sich anzuziehen und mitzukommen, gab ihr aber (vorher) eine Menschenpfote und gebot, sie aufzuessen. Die Frau zog ihre Kleider an, warf die Pfote auf den Boden der Kutsche, in die sie sich setzten, und die Pferde sprengten geradeswegs, Feuer ausstoßend, auf den Kirchhof zu. Der Tote fragte seine Frau: "Der Mond scheint, der Tote fährt - Liebchen, Goldchen, fürchtest du dich?" "Warum soll ich mich denn fürchten, wenn (ich) auf dem Schoß meines eigenen Mannes sitze?" antwortete die Frau. "Pfote, wo bist du?" fragte der Tote. "Auf dem Boden der Kutsche", antwortete sie. Die Frau bekam wegen der Pfote Angst, sie steckte sie unter den Arsch, denn dort konnte sie wohl keinen Laut von sich geben. Sie fuhren ein kleines Stück, der Tote fragte wieder: "Der Mond scheint, der Tote fährt - Liebchen, Goldchen, fürchtest du dich?" "Was soll ich mich fürchten, wenn (ich) unter dem Flügel meines eigenen Mannes (bin!)" war die Antwort der Frau. "Pfote, wo bist (du)?" fragte der Heimgänger. "Unter dem Arsch", antwortete sie. Der Tote befahl der Frau, die Pfote aufzuessen, sonst würde er ihr den Hals umdrehen. Aber die Frau steckte die Pfote in den Busen und dachte gar nicht daran, sie aufzuessen. Sie waren schon ein gutes Stück gefahren, und der Tote fragte weiter, die Frau aber antwortete so wie zuvor immer ein und dasselbe. Als er wieder nach der Pfote rief, antwortete diese: "Ich bin unter dem Herzen." Nun war der Tote zufrieden, denn er dachte, daß die Pfote aufgegessen war, und befahl dem Kutscher, schneller zu fahren. Beim Kirchhof blieben sie stehen. Der Tote fing gleich an, ein Loch zu graben, die Frau aber schaute mit Entsetzen zu und bedachte, wie sie bloß davonkommen könnte. Der Tote war beim Graben schon bis zum Kopf im Loch; als er nichts mehr sehen konnte, nahm die Frau ihre Mütze (und) stellte sie auf das Kreuz, (band) die Schürze vor und den Rock um das Kreuz und machte sich von dannen zum Hause des Küsters. Der Tote hatte das Grab fertig, griff nach der Frau, aber warte (mal), Junge, die kommt nicht! Das Kreuz war fest in die Erde gesteckt und rührte sich nicht einmal. Er erkannte den Betrug, stürzte mit großem Gebrüll seiner Frau zum Küster nach. Im Vorzimmer schlug und schmetterte (er) auf die Tür und schrie nur: "Gib mir meine Eigene in die Hand!" Die Frau machte ihren Ring im Ofen heiß, steckte ihn durch das Schlüsselloch dem Toten an den Finger, warf noch die Pfote hinter ihm her, bis dieser vor Schmerzen von dannen lief, so daß die Wände der Küsterstube bebten.