In alten Zeiten lebte einmal in irgendeinem Land eine Mutter mit ihrer Tochter. Dieser Tochter wurde in der Kindheit von einem Weisen geweissagt, daß sie einst einen Mann mit einer goldenen Nase heiraten würde. Die Tochter wuchs auf und gab auch keinem Jüngling, der um sie freite, ihre Hand, sondern wartete auf den von dem Weisen versprochenen Mann mit der goldenen Nase. Ein Jahr nach dem anderen verging, die Mutter verstarb ("rollte in den Schoß der Erde"), aber der erwartete Mann erschien nicht.
Da fuhr eines Abends nach dem Tode der Mutter ein Mann mit einem schwarzen Hengst vor die Tür, und - o Wunder! - dieser Mann hatte eine goldene Nase. Er warb um das Mädchen, und sie gab ihm ihre Hand.
Der Bräutigam sagte, daß er es eilig habe, und bat die Braut, gleich mitzukommen, er versprach, die Hochzeit gleich bei sich zu Hause abzuhalten und den Bruder der Braut zu sich zur Hochzeit einzuladen. Die Braut widersetzte sich dem zunächst, packte dann aber ihre teuersten Sachen ein, und die Fahrt begann so, daß ihr Hören und Sehen verging.
Nachdem sie mehrere Meilen gefahren waren, kamen sie an ein Haus, das wie eine große Kirche aussah. Der Bräutigam hielt das Pferd an, übergab der Braut die Zügel und sagte, daß er selbst hineingehen müsse. Nach langer Zeit kam er zurück, und die Fahrt wurde wie vorher fortgesetzt. Nachdem sie einige Meilen gefahren waren, kamen sie wieder an ein hohes Steinhaus, und der Bräutigam sagte wieder, daß er dort hineingehen müsse.
Die Braut ängstigte sich, und als der Bräutigam ins Haus gegangen war, ging sie heimlich nach, um zu sehen, was er dort zu tun habe. Als sie durchs Schlüsselloch spähte, sah sie, daß ihr Bräutigam in dem Hause auf einer erhöhten Stelle, die einem Altar ähnelte und vor der Kerzen brannten, saß und das Aas eines Hundes verschlang. Voller Schreck und Ekel kehrte sie zu ihrem Pferd zurück.
Nach einiger Zeit folgte ihr der Bräutigam, setzte sich, und die Fahrt begann wie zuvor. Zum dritten Male kamen sie an ein hohes Haus, und der Bräutigam sagte, daß er auch dort hineingehen müsse. Er sprang vom Schlitten und eilte ins Haus, und auch die Braut ging, um hinter der Tür zu spähen. Da sah sie, daß ihr Bräutigam wieder auf einer erhöhten Stelle saß und einen toten Menschen verspeiste. Wie ein Messerstich fuhr es ihr durchs Herz, wer wohl ihr Bräutigam sein könnte. Sie ging zum Pferd und dachte daran, auf ihm zu fliehen, da sie aber den Weg nicht kannte, wagte sie es nicht zu unternehmen. Nach langer Zeit kam der Bräutigam heraus, und nun wurde die Fahrt mit Windeseile fortgesetzt.
Schließlich gelangten sie zu einem großen, altertümlichen, halbverfallenen Schloß. Eine Menge Diener wartete auf dem Hof, die das Pferd in den Stall brachten. Der Bräutigam aber führte die Braut ins Schloß. Nachdem sie eine unendlich scheinende Zeit gegangen waren, während der sie keinen einzigen Diener sahen, kamen sie zu einer Kammer. "Hier kannst du jetzt wohnen", sagte ihr nun der Bräutigam, "bald will ich Hochzeit halten und zu dieser Zeit auch deinen Bruder herholen." Als er das gesagt hatte, ging er weg und ließ die Braut allein zurück.
In der darauffolgenden Nacht erschien der Braut der Geist ihrer verstorbenen Mutter und sagte: "Siehe, meine Tochter! Jetzt hast du das bekommen, was du wolltest, denn wisse, der Mann mit der goldenen Nase ist kein anderer als der alte Hagestolz (=Teufel) selbst, und deine jetzige Wohnung ist der Vorraum zur Hölle." Auf die Frage, wie die Mutter zu ihr gelangt sei, erwiderte sie, daß ihre Wohnung nicht hier sei, sondern an einem anderen Ort, aber daß das Auge der Mutter überall über ihrer Tochter wache. Auf die Frage, wie sie von hier entkommen könne, erwiderte die Mutter, daß es jetzt wohl keine Möglichkeit dazu gebe.Am Tage kam ihr Mann sie besuchen, war in jeder Hinsicht höflich und freundlich, entschuldigte sich aber auch zugleich, daß es ihm wegen viel Beschäftigung nicht so bald möglich sein werde, die Hochzeit abzuhalten, sie müsse eine Zeitlang warten.
Einer von ihren früheren Freiern, dessen Herz sich nicht so schnell erkalten konnte, hörte, daß ein Mann mit einer goldenen Nase seine geliebte Braut weggeführt hatte. Er ging zu dem Weisen, um zu fragen, wer es denn gewesen sein konnte. Der Weise erklärte ihm, daß es der Teufel ("der Hagestolz") selbst gewesen sei und nun seine Braut in die Hölle geschleppt habe. Nun bat der Jüngling ihn zu sagen, wie er seine geliebte Braut retten könne. Der Weise erwiderte: "Nimm ein Knäuel und geh damit an drei Donnerstagen allein zu der nächsten Wegkreuzung, dreh dort das Knäuel dreimal in der der Sonne entgegengesetzten Richtung, dann wirst du schon sehen, was du machen mußt. Aber wehe dir, wenn du dich zu fürchten beginnst, dann bist du verloren!" Der Mann versprach, den Rat des Weisen zu befolgen und eilte nach Hause.
Am ersten und zweiten Donnerstag geschah nichts Besonderes. Am dritten Donnerstag kam ein starker Sturm auf und riß ihm das Knäuel aus der Hand. Der Mann ging und fing es ein. Dann riß ein feuriges Rad ihm das Knäuel von neuem aus der Hand. Auch dieses Mal konnte er das Knäuel noch fangen. Bald darauf erschien ein großer Mann. Der fragte ihn: "Was streichst du hier im tiefen Wald herum?" Der Mann erwiderte: "Ich bin ein armer Mensch, suche Arbeit und Verdienst, verirrte mich aber hier in diesem Wald und finde nicht mehr den Weg." Der große Mann sagte: "Ich bin auch einer, der einen Knecht sucht, vielleicht hast du Lust, in meinen Dienst zu treten. Die Arbeit bei mir ist nicht groß, besonders in der Winterzeit nicht, und wenn deine Lohnforderung es auch nicht ist, dann können wir uns bald einig werden." Der Freier erwiderte: "Mit dem Lohn hat es wohl Zeit, wenn die Arbeit schon gemacht ist, dann können wir wieder darüber reden." Der große Mann sagte: "Wenn es so ist, dann gehen wir zu mir nach Hause und wir wollen sehen, wie wir uns einigen."
Sie schritten weiter und gelangten nach langer Zeit an das altertümliche Schloß. Hier zeigte der Teufel ihm die künftige Arbeit und außerdem auch seine Wohnkammer und sagte: "Morgen kannst du dich ausruhen, und am zweiten Tage will ich dir Arbeit zuweisen. Im Winter hast du nicht viel zu tun, aber im Sommer mußt du dafür tüchtig die Glieder regen." Er sagte es und ging seines Weges.
Den ganzen Tag lang sah sich der neue Knecht um, ob er nicht irgendwo seine Braut sehen könnte, aber er erblickte sie nirgends. In der Nacht wachte er wegen eines großen Gepolters auf und eilte zum Fenster, um zu sehen, was los sei, sah aber nichts. Kurze Zeit darauf wurde eine Tür seiner Kammer geöffnet, die er bisher nicht bemerkt hatte. Die Frau trat ein, grüßte und fragte, wie er dorthin gekommen sei. Der Mann erzählte ihr, wer er sei und wen er suche, und daß er die Absicht habe, sie zu retten, auch wenn es ihm das Leben koste. Die Frau erwiderte: "Wenn dein Entschluß feststeht,dann warte bis zum zweiten Freitag bei Vollmond, dann geht er wie heute fort, dann wollen wir versuchen zu fliehen."
Der Mann wartete und arbeitete fleißig bis zum zweiten Freitag bei Vollmond. In der Nacht war wieder großer Lärm und großes Gepolter, und als dieses aufhörte, trat die Frau wieder in die Kammer. In der Hand hatte sie eine Rute, und dem Mann gab sie einen Holzspan, ein Sandkorn und etwas Wasser in einem Glas und sagte: "Wenn ich dir sage, daß du etwas davon wegwerfen sollst, dann tu es, aber laß uns jetzt eilen, denn die Zeit ist knapp."
Sie hatten schon eine lange Strecke zurückgelegt, da sagte die Frau: "Die Rute bewegt sich, wir werden verfolgt, wirf das Sandkorn schnell weg!" Der Jüngling tat es, sogleich entstand hinter ihnen ein großer Berg, aber sie selbst flüchteten mit Windeseile weiter. Der Teufel erreichte die Rückseite des Berges, rannte im ersten Anlauf gegen den Berg, prallte zurück und rief seinem kleinen Sohn zu: "Beweg dich, bemüh dich, mein Sohn, geh nach Haus und hol den Spaten!" Alsbald waren zwei Spaten zur Stelle, und sie gruben schwitzend am Berge ("so daß der Kopf dampfte").
Der Jüngling und die Frau waren wieder eine weite Strecke gegangen, als die Frau rief: "Die Rute bewegt sich, wir werden verfolgt, wirf den Span auf den Weg!" Der Jüngling tat es, und sogleich entstand hinter ihnen ein hoher und dichter Wald. Der Teufel erreichte die andere Seite des Waldes, wischte sich den Schweiß von der Stirn und rief: "Beweg dich, bemüh dich, mein Sohn, geh und hol von zu Hause die Äxte!" Nach einiger Zeit war auch der Sohn mit den Äxten zurück, und nun fällten sie die Bäume, daß die Späne flogen. Alsbald war der Wald abgeholzt, und jetzt stürmten sie mit Windeseile weiter.
Der Jüngling und die Frau waren schon beinahe zu Hause, als der Teufel ihnen wieder auf den Fersen war. Da rief die Frau: "Wirf den Wassertropfen auf den Weg!" Der Jüngling tat es, und sogleich entstand zwischen ihnen ein großes, unendliches Meer. Der Teufel erreichte das andere Ufer des Meeres und rief: "Beweg dich, bemüh dich, mein Sohn, geh nach Haus und hol die Alte, die wird schon das Meer austrinken!" Bald war die Alte auch zur Stelle, die auch gleich begann, wie verrückt das Wasser zu saufen. Schon war das Meer beinahe leer, da platzte die Alte und das Wasser lief ins Meer zurück. Der Teufel mußte am Ufer stehenbleiben und erreichte die Fliehenden nicht mehr. Die aber gingen nach Hause und lebten als Mann und Frau mit Hilfe der Rute lange und glücklich.