82. Eine Soldatengeschichte

In alter Zeit war ein Soldat vierzig Jahre lang im Dienst gewesen, dann ließ man ihn laufen. So ging er den Weg entlang und dachte vor sich hin: Was habe ich nun davon, daß ich so lange im Kriegsheer war? Siehe, lange Zeit war ich wohl dort, aber den König habe ich nicht ein einziges Mal gesehen, auch Gott und den alten Teufel nicht, was soll ich nun eigentlich den Leuten zu Hause erzählen?" So setzte er sich am Wegrand auf einen Baumstumpf und fing an zu weinen, daß er weder Vater noch Mutter mehr habe, und daß er nichts zu berichten wisse, wenn ein Dörfler ihn plötzlich fragen würde: "Was hast du nun eigentlich erlebt?" Da kam ein alter Mann vorbei, der fragte ihn: "Warum weinst du?" Und er erzählte ihm: "Ich war lange Zeit im Kriege, aber ich habe weder den König noch Gott oder den alten Teufel gesehen; jetzt habe ich nichts zu Hause zu berichten." Da sagte der alte Mann: "Komm mit in den Himmel als Pförtner, da wirst du Gott sehen." Und er sagte: "Ich werde mitkommen."

So wurde er eingesetzt, die Himmelspforte zu bewachen, und es wurde ihm gesagt: "Daß du dich ja nicht hinsetzt! Du darfst nur bei der Pforte stehen, und niemanden darfst du hineinlassen, wer es auch immer sei!" Da aber kam der alte Tod und wollte hinein, aber der Soldat sagte: "Bruder, ich darf dich nicht hineinlassen. Was willst du denn dort?" Der Tod sagte: "Ich will fragen, was Gottvater mir zu tun befiehlt." Da sagte der Soldat: "Bleib nur hier, ich werde selbst gehen und fragen, was du zu tun hast." So ging er auch hin und fragte, was der Tod zu tun habe, und es wurde ihm gesagt, er solle junge Eichen hauen. Da ging er wieder raus und sagte dem Tod: "Dir wurde befohlen, junge Eichen zu hauen." Der Tod ging auch und hieb das ganze Jahr junge Eichen. Nach einem Jahr aber fragte er wieder, was er nun machen soll. Da ging der Soldat wieder fragen, was der Tod jetzt für eine Arbeit bekommt, und es wurde ihm gesagt, daß er jetzt mittlere Eichen hauen soll. So hieb der Tod wiederum das ganze Jahr nur mittlere Eichen, und als das dritte Jahr kam, ging er wieder zu Gottvater, um nach Arbeit zu fragen, und der Soldat fragte wieder, was der Tod machen soll, und es wurde ihm gesagt, nun soll er alte Eichen hauen. Da ging er hin und hieb alte Eichen ab.

Aber da kam Gottvater heraus und rief: "Wo steckt denn bloß der Tod? Er hat mir ja schon drei Jahre lang nichts geschickt!" Da wurde der Tod zu Gottvater gerufen, und er wurde gefragt: "Was hast du in jener Zeit getan?" Der Tod sagte: "Ich hieb nur junge Eichen und mittlere und alte, sieh, so war's mir befohlen." Aber Gottvater sagte: "Habe ich dir wirklich so befohlen? Ich habe gesagt, du sollst Kinder und die Großen und die Alten nehmen, sieh, ich habe doch mit meinen Worten nur andeutungsweise gesprochen, daß Eichen gehauen werden sollen, aber du hast nichts wie Waldbäume gefällt!" Aber der Tod wiederum sagte: "Sieh, ich tat so, wie mir der Soldat befahl." Da wurde der Soldat für schuldig befunden, und Gottvater rief den alten Teufel ("Schlechten") zu sich und sagte: "Ich gebe dir diesen Soldaten, nimm ihn mit dir!"

Nun nahm der alte Teufel den Soldaten mit und sagte: "Du mußt jetzt tun, was immer ich dir auch befehle." Und es war da ein Haus voll sündiger Menschen, die waren in Kesseln, und helles Feuer brannte unter ihnen. Da sagte der alte Teufel: "Sieh, das wird nun deine Arbeit sein, daß du die ganze Zeit nichts wie Feuer darunterhältst, und daß du dich niemals von hier fortbegibst !" Das tat der Soldat auch so lange, bis das Weihnachtsfest ("Winterfeier") kam. Da wurde ein großes Fest gefeiert, und es wurde ihm gesagt: "Jetzt laß deine Sünder sich auch drei Tage lang erholen und mach kein Feuer darunter!" Da dachte der Soldat: "Was haben die Seelen denn davon, daß ich kein Feuer mache? Seht, die Kessel kühlen sich jain drei Tagen gar nicht ab, aber warte, ich werde die Kessel umstoßen, dann werden sie eher kalt." Und so stieß er denn auch alle Kesselchen um, und die Seelchen kamen alle aus den Kesseln heraus und flogen fort in den Himmel und retteten sich vor dem alten Teufel. Aber als das Fest vorüber war, wurde ihm wieder befohlen, Feuer unter die Kessel zu legen. Aber was nun: die Kesselchen sind alle leer! Als der alte Teufel das sah, wurde er sehr ärgerlich, denn seht, der Soldat war ja schuld, daß viele Millionen Tausende (!) von Seelen nun frei waren. Wohin aber nun mit ihm? Es bleibt nichts übrig, als ihn selbst in einen leeren Kessel zu werfen.

Aber da fing er an zu bitten: "Nimm meine Waffen fort, die haben ja keine Schuld, sie haben mir nur Beute eingebracht." Da sagte der alte Teufel: "Was soll ich denn mit ihnen anfangen? Ich weiß nicht einmal, wo ich sie hinlegen soll." Der Soldat aber sagte: "Nimm sie nur fort, ich zeige dir, wohin die Flinte zu stellen ist und wohin der Ranzen und wie der Riemen auf die Brust gesetzt wird." Aber wie der alte Teufel das hörte, fing er an, sich zu fürchten: "Mein Großvater ist schon durch das Kreuzeszeichen betrogen worden, und nun willst du mich auch noch betrügen!" Und er sagte zu den anderen Teufeln: "Jagt den Soldaten raus! Der wird uns noch alle ins Verderben schicken und uns vernichten."

So jagte man denn den Soldaten raus, und er ging fort. Da aber kamen ihm all die Seelen entgegen, die er erlöst hatte, und sie waren voll frohen Mutes. So erfuhr er noch größte Verehrung: "Sieh, der alte glücklose Soldat ist unser größter Wohltäter! Sieh, er hat so viele Seelen vor dem Verderben gerettet!" Und er kam wieder in den Himmel und wurde in das Leben eines Heiligen eingesetzt, weil er in der Welt soviel Gutes getan hatte.