78. Das Haus auf dem Hahnenfuß

Auf meiner Reise geriet ich einmal in einen großen Wald, weiter wandernd gelangte ich schließlich am Abend zu einem Haus. Ich freute mich, daß ich doch ein Obdach gefunden hatte, wo ich über Nacht bleiben konnte. Merkwürdig war dieses Häuschen meiner Meinung nach, denn es war auf dem Fuß eines Hahnes gebaut. Dennoch trat ich hinein, um mit seinen Bewohnern bekannt zu werden und um Nachtquartier zu bitten. Als ich eintrat, fand ich im Haus nicht einmal eines Menschen Seele, nichts als ein schwarzes Hundeköterchen sah man in den hinteren Zimmern laufen. Ich setzte mich dann ins Vorzimmer unter das Fenster an den Tisch nieder und wollte abwarten, ob ich schließlich auch die Hausbewohner ("Hausvolk") zu Gesicht bekommen würde, und begann zum Zeitvertreib allein Karten zu spielen. Schließlich kam ein herrenähnlicher Mann zur Tür hinein und wollte, ohne ein Wort zu sagen, an mir vorübergehen; ich aber fing an, freundlich zu bitten: "Goldener, lieber, geehrter Herr, oder wer Sie auch immer sind, ich blieb hier in eurem Haus übernachten; die Langeweile drängt sich auf, könnt ihr nicht mit mir etwas Karten spielen?" Der Herr war gleich bereit, mit mir zu spielen, und das Spiel begann. Der Herr verlor nach und nach im Spiel; er wollte aber nicht im Verlust bleiben, deshalb ließ er auch nicht nach, sondern hoffte, daß das Glück sich einmal ihm zuwenden würde. Das Spiel dauerte über die halbe Nacht hinaus. Als der Hahn gekräht hatte, stand der Herr vom Tisch auf und ging zur Tür hinaus.

Am Morgen kam das schwarze Köterchen aus dem hinteren Zimmer zu mir und erzählte, daß es des Königs Tochter und hier in den Händen der bösen Geister gefangen sei, die sie jede Nacht plagen kämen; heute nacht aber habe sie von ihnen Ruhe gehabt. Noch sagte es: "Wenn es dir gelingen sollte, noch zwei Nächte hier im Haus zu bleiben und diejenigen zu vertreiben, die in der Nacht zu mir kommen, dann würde ich wieder zum Menschen werden und aus ihrer Gewalt loskommen." Ich beschloß dann, diesen Wunsch zu erfüllen und in diesem merkwürdigen Haus zu bleiben.

Zeitig am Abend war ich wieder zur Stelle. Als es dunkel geworden war, kam wieder ein herrenähnlicher Mann zur Tür hinein und wollte an mir vorübergehen. Ich begann ihn zu bitten: "Seid so freundlich, ich bitte, wollen wir etwas die Zeit vertreiben und Karten spielen? Mir fängt es an, langweilig zu werden." Er aber erwiderte stolz: "Ach, du bist der Schelm, der gestern abend meinen Genossen betrog? Du wirst's schonzu sehen kriegen!" Ich aber fing an, ihn zu bitten: "Goldener Herr, ich bin heute die erste Nacht hier im Haus; ich habe niemanden betrogen." Der fremde Herr gab schließlich nach, setzte sich an den Tisch, und das Spiel begann. Ich aber machte ihn ständig zum Verlierer ("Dummkopf"). Dem Mann aber gelüstete es, den Sieg für sich zu behalten, und er spielte weiter; auch bemerkte er die Zeit nicht, bis der Hahn die Mitternacht bekanntgab. Der Mann stand schlechter Laune auf und ging schnell zur Tür hinaus. Am Morgen kam das Hundeköterchen wieder, aber jetzt war der halbe Körper Mensch, der halbe Hund, dankte mir für die Nacht und sagte: "Wenn es dir gelingen sollte, noch eine Nacht hier zu wachen, dann wäre ich frei. Aber diese Nacht kommt der Hausherr selbst; er ist schwer zu betrügen, mit ihm mußt du sehr schlau umgehen, ehe du den Sieg bekommst." Ich ging sogleich ins nächste Dorf zum Schmied und hieß ihn, mir einen Eisenmann zu machen, mit starken Zähnen im Mund, die mit einer Feder auf- und zugingen. Diesen Mann brachte ich nun in das Haus und setzte ihn hinter der Tür rücklings auf den Fußboden und machte seinen Mund auf und ordnete es so, daß, wenn ich unter dem Tisch auf die Feder drückte, die Zähne plötzlich wie ein Flintenschloß zuschlugen. Als ich mit meinen Vorbereitungen fertiggeworden war, wartete ich ruhig, bis der Abend kam. Die erwünschte Zeit kam auch und brachte sogleich auch den Hausherrn mit sich. Dieser trat stolz herein und fing an, mich anzuschreien, daß seine Knechte betrogen worden seien, und drohte mir zu zeigen, was ich dafür zu erwarten habe. Ich aber fing an, demütig dagegen zu sprechen, daß ich ganz und gar ohne Schuld sei. "Ich bin die erste Nacht hier im Haus im Nachtquartier. Kann sein, vielleicht hat jemand anders dir dieses Übel zugefügt. Sieh, dort in der Ecke hinter der Tür schläft ein betrunkener alter Mann, wer weiß, vielleicht hat er diese Bosheit angerichtet. Geh hin und pinkele ihm in den Mund!" Der Unhold war zu dieser Tat sofort bereit, aber kaum hatte er sein Mannesstück dem Eisenmann in den Mund gesteckt, drückte ich auf die Feder, und das Männchen stand mit seinen Hodensäckchen ("Glöckchen") längs den Beinen zwischen den Zähnen des Eisenmannes fest. Da hatte das Männchen keine Kraft mehr, sondern verzog sich mit großen Schmerzen zur Tür hinaus, den Eisenmann nach sich ziehend, und riß von der Tür den halben Ständer herunter.

Am Morgen war die Königstochter aus dem Gefängnis ihrer Verzauberung gerettet, und das Haus war auch mit verschwunden. Den Eisenmann fand ich im Wald auf der Erde; der alte Böse hatte ihn blank gedroschen.