75. Der behaarte Ivan

In alter Zeit lebte ein König, der hatte zwei Söhne; der eine hieß Peter, der andere Ivan. Da Ivan schon bei der Geburt behaart war, nannte man ihn den "behaarten Ivan". Peter war der älteste Sohn, also durch Recht der Erbe des Königreichs. Ivan aber blieb nicht bei seinem Vater, sondern ging zum Schmied, um den Beruf des Schmiedes zu erlernen. Mit dem Schmied schloß er einen Vertrag und verlangte zum Lohn nichts weiter als einen eisernen Stock, den er für die Reise haben wollte. Der Schmied war mit diesem Wunsch zufrieden und versprach es ihm. Nun war aber auch Ivans Dienstzeit zu Ende. Als Jahreslohn mußte ihm der Schmied nun einen Stock machen. Der Schmied machte einen Stock von zehn Pud Gewicht. Aber Ivan brach ihn zwischen seinen Händen entzwei und sagte: "Der paßt nicht für einen solchen wie ich!" Der Schmied machte jetzt einen Stock von zwanzig Pud. Aber Ivan legte den Stock auf sein Knie und brach ihn entzwei. Als der Schmied das sah, wurde er zornig. Aber er konnte nichts machen, denn er hatte ja versprochen, Ivan einen Stock zu machen, mit dem er zufrieden wäre. Jetzt sammelte der Schmied alle Eisenstücke, die er noch hatte, zusammen und machte einen Stock von vierzig Pud. Ivan ging hinaus, steckte das Ende des Stocks unter die Wand der Schmiede und hob sie hoch. Der Stock wurde krumm wie ein Krummholz, und Ivan sagte: "Mit Mühe kann man wohl Flöhe damit töten!" Er ließ den Schmied den Stock wieder geradebiegen.

Dann ging er auf die Reise. Jedesmal, wenn er den Stock aufhob und niedersetzte, stieß er ein Loch von drei Fuß Tiefe in die Erde. Wer ihm auf dem Weg begegnete, bekam Angst vor dem Poltern, das beim Niedersetzen des Stockes entstand. Da kam ihm auf seinem Weg der Bergdreher entgegen. Der behaarte Ivan fragte: "Wohin gehst du, und was für ein Amt hast du?" Der Mann sagte: "Ich bin der Bergdreher, ich kann Berge vor mir umdrehen." Ivan sagte: "Wir passen zusammen, komm mit mir zu dem Gut, das da in der Ferne im Wald liegt!" Sie gingen zusammen weiter, und auf dem Weg trafen sie noch auf den Wasserdreher, der Flüsse und Seen vor sich umdrehen konnte. Ivan lud auch ihn ein mitzukommen und sagte: "Uns dreien paßt es, zusammen weiterzugehen." Das Gut, zu dem sie gingen, hatte einer alten Jungfer gehört. Der Teufel aber hatte das Fräulein ins Gefängnis gesteckt und das Gut weggenommen. Jetzt hatte man das Gut Höllengut genannt. Auf diesem Gut gab es wohl allerlei Tiere, aber es war keine einzige Menschenseele zu sehen. Der behaarte Ivan fand zuletzt in einem Keller viele Speisen.

Ivan und der Wasserdreher gingen in den Wald, um Bäume zu fällen. Der Bergdreher blieb zu Haus, um Suppe zu kochen. Die Suppe war fertig, da klopfte es an die Tür. Der Bergdreher machte auf. Ein kleiner alter Mann war hinter der Tür und bat: "Liebes Söhnlein, laß mich herein!" Als er drinnen war, bat er wieder: "Liebes Söhnlein, hilf mir auf den Kochherd!" Als er auf dem Herd war, bat er wieder: "Liebes Söhnlein, gib mir die Kelle!" Als er die Kelle bekam, schöpfte er einmal mit ihr aus dem Grapen, da war der Grapen leer. Er selbst aber war wie Zinn in der Asche im Fußboden der Küche verschwunden. Nun war der Bergdreher in Not: Die Männer kommen aus dem Wald nach Hause und wollen essen. Er setzte geschwind den Grapen von neuem aufs Feuer, aber Ivan und der Wasserdreher waren schon zu Hause angekommen. Der Bergdreher erzählte, was für ein Mißgeschick ihm passiert war.Am zweiten Tag blieb der Wasserdreher zu Hause Suppe kochen. Aber auch ihm ging es ebenso wie dem Bergdreher. Am dritten Tag blieb nun Ivan selbst zu Hause, um Essen zu kochen. Als die Suppe fertig war, klopfte es wieder an der Tür und irgendjemand bat, hereingelassen zu werden. Ivan erwiderte: "Der, der dir hinter die Tür kommen half, wird dir wohl auch hereinhelfen!" Da war der alte Mann auch schon gleich drin und bat: "Liebes, nettes Söhnlein, hilf mir auf den Kochherd!" Ivan aber sagte: "Der, der dir hinter die Tür kommen half, hilft dir wohl auch auf den Kochherd!" Da war der alte Mann gleich auf dem Herd und bat: "Liebes, nettes Söhnlein, gib mir die Kelle, ich koste auch eure Suppe!" Ivan antwortete: "So wie du auf den Kochherd kamst, wirst du auch die Kelle in die Hand bekommen!" Da hatte der alte Mann auch schon die Kelle in der Hand, langte einmal in den Grapen und der Grapen war leer! Er selbst aber wollte wieder verschwinden, da sauste Ivans Knüppel, und mit einem Hieb war der Kopf des alten Mannes ab. Ivan warf den Kopf unter das Bett, aber der sprang von selbst auf den alten Mann zurück. Wieder schlug Ivan den Kopf ab und wieder sprang der Kopf zurück. Da kam ein Fräulein zu Ivan und sagte: "Reibe den Halsknochen mit der Ferse deines linken Fußes!" Ivan tat so, und der Kopf sprang nicht wieder zurück, und der alte Mann blieb nun ohne Kopf. Aber trotzdem lebte er noch und wollte noch einmal mit Ivan kämpfen. Dort beim Bettkopf war aber kraftgebender Branntwein, am Fußende aber kraftmindernder. Der alte Mann nahm gleich den Branntwein vom Bettkopf und trank ihn, Ivan aber gab er den vom Fußende. Aber welch ein Mißgeschick! Das Fräulein hatte die Branntweinflaschen vertauscht, vom Fußende zum Bettkopf und vom Bettkopf zum Fußende gestellt, denn sie wußte, daß der alte Mann den vom Bettkopf nimmt, aber Ivan den vom Fußende gibt. Also trank der alte Mann den kraftmindernden Branntwein, und Ivan trank den kraftvergrößernden Branntwein und trug so den Sieg über den alten Mann davon.

Nun hatten sich der Bergdreher und der Wasserdreher schlafen gelegt. Ivan aber war mit seinem eisernen Stock auf die Brücke des Teerflusses gegangen. Da waren eine Menge Teufel auf ihn losgestürmt. Ivan aber schlug sie alle mit seinem eisernen Stock tot und schob sie mit dem Fuß in den Fluß, wo sie wie verfaulte Kartoffeln im Teer des Flusses zerkochten. Schließlich, als er sie alle besiegt hatte, ging er nach Haus und legte sich schlafen. Um Mitternacht hörte Ivan aus der anderen Kammer Stimmen, die sagten: "Laßt uns diese drei Ferkel töten, ihre Seelen stecken wir in die Schnupftabaksdose des Großvaters, dann sind es wieder drei Seelen mehr." Ivan hörte die Worte, weckte seine Kameraden und schickte den einen zur ersten, den anderen zur zweiten Tür, damit die Bengel nicht entfliehen könnten. Als er sah, daß der Wasserdreher einen See um das Haus fließen ließ und der Bergdreher große Steine vor die Türen geschafft hatte, ging er selbst zur dritten Tür. Jetzt mähte Ivan sie mit seinem Knüppel wie Maden nieder, bis sie alle verendet waren. Und nun war auch das Gut von diesen Bengeln frei, und niemals hat man dort wieder einen Gehörnten gesehen. Danach nahm Ivan das Fräulein unter seinen Schutz, und als das ganze Gut wieder hergerichtet war, hat ersich das Fräulein zur Frau genommen, und sie haben bis zum Tode ein gutes Leben geführt.