58. Wie der Wind erweckt wurde

Der Wind ließ sich zum Ausruhen nieder und schlief ein. Der Schlaf war weder lang noch kurz, doch mangelte es den Menschen, Tieren und Pflanzen schon sehr an ihm. Weil der Wind noch immer nicht aus seinem Winkel erschien, begannen alle Tiere, groß und klein, ihn zu suchen, aber niemand konnte ihn finden. Zuletzt ging auch die Spinne den Wind suchen. Sie ging weit über hohe Berge und fand ihn bei einem großen Stein schlafend. Die Spinne spann sofort ihr Netz über den Wind und weckte ihn dann.

Als der Wind beim Erwachen ein dichtes Netz über sich sah, drohte er der Spinne: "Halte dich fest, wenn ich aufstehe! Ich werde dich zerreißen!" Die Spinne aber bat: "Reiße nicht! Habe noch etwas Geduld, bis ich über die Berge nach Hause zurückgegangen bin!" Der Wind hatte Mitleid mit der Spinne und versprach ihre Bitte zu erfüllen.

Auf dem höchsten Berggipfel kam die Fliege der Spinne entgegen. - "Guten Tag, Fliege!" sagte die Spinne. "Guten Tag, guten Tag!" "Weißt du das Neueste? Ich habe den Wind gefunden und geweckt." Die Fliege flog sofort zurück und teilte den anderen Tieren mit, daß sie den Wind gefunden und geweckt habe. Alle Tiere beschlossen, der Fliege einen Lohn für ihre nützliche Arbeit zu zahlen. Zum Dank wurde ihr von jener Zeit an gestattet, alle Speisen zuerst zu kosten.

Schließlich kam auch die Spinne an, und bald stellte sie fest, daß der Lohn für das Erwecken des Windes schon der Fliege ausgezahlt worden war. Die Spinne erhielt kein Dankeswort mehr. Aus diesem Grunde hegt sie bis zum heutigen Tag einen unauslöschlichen Zorn auf die Fliege, und wenn sie eine fängt, beendet sie ihr Leben.