188. Der berechnende Knecht

Ein Hauswirt dingte sich einen neuen Knecht. Der Knecht wollte sich nicht auf ein Jahr zum Dienst verpflichten, sondern auf mehrere Jahre, wenn aber Gott Leben und Gesundheit gibt, dann gleich auf zehn Jahre. Anderen Lohn wollte der Knecht aber nicht haben, als im ersten Jahr einen Pfeifenkopf voll Roggen, später, im zweiten und in allen kommenden Jahren soll der Hauswirt ihm aber bloß so viel Land geben, daß er seinen Roggen säen kann, soviel er davon auch immer hat. Der Hauswirt war damit einverstanden, das Geschäft wurde auf zehn Jahre abgemacht.

Im ersten Jahr bekam der Knecht die Pfeife voll Roggen als Lohn; er säte ihn in die Ecke des Krautgartens und hielt alle Körner mit Sorgfalt zusammen. Der Roggen wuchs kräftig; in einigen Jahren hatte er schon einen Scheffel Roggen, er konnte eine richtige Lofstelle aussäen. Im kommenden Jahr wurde schon annähernd eine Hufe voll gesät. Der Hauswirt war alt, ohne Kinder, und die Lust, die Stelle zu halten, war ihm vergangen. Jetzt half ihm nichts anderes, als daß er die Stelle dem Knecht übergeben mußte, denn der Vertrag mit dem Knecht war ja derart, daß er jedes Jahr seinen Roggen wieder aussäen wollte. Die Felder aber waren schon ganz klein geworden, und wenn sie auch über und über mit Roggen vollgesät worden wären, hätte dennoch der Roggen des Knechtes dort nicht mehr in die Erde hineingepaßt. Es half dem Hauswirt dann schließlich nichts, als daß er die Stelle dem Knecht übergab, noch bevor die zehn Jahre voll waren. Und das gerade hatte der Knecht ja auch gewollt.