186. Kann man dem Freund trauen?

An einem Ort seien zwei Brüder gewesen, der eine reich und der andere arm. Der reiche Bruder hatte maßlos viel Habe und Reichtum und auch viele Freunde, die ihm bis an den Tod getreu zu bleiben versprachen, während der arme Bruder niemanden hatte. Einmal sei der reiche Bruder zu dem armen Bruder gegangen und habe dort mit seinem Reichtum und den Freunden geprahlt, daß diese ihm bis in den Tod treu seien. Der arme Bruder sagte: "Glaube ihnen nicht! Solange du reich bist, sind sie selbstverständlich Freunde, aber wenn du arm bist, ist niemand da." Der reiche Bruder glaubte das nicht und wollte es prüfen. Aber von diesem Plan sagte er dem armen Bruder nichts. Er kam heim und schlachtete ein großes Schwein, wickelte es in Tücher und ging zu seinen reichen Freunden und klagte ihnen: "Ich kam mit einem Mann in Streit und schlug ihn nieder. Helft mir und gebt Rat, was ich tun soll!" Sie antworteten: "Wenn du so etwas getan hast, dann sieh selbst zu, wie du damit fertig wirst! Was haben wir mit dir zu tun?"

Als er sah, daß da nichts herauskam, ging er zu seinem armen Bruder und klagte ihm seine Not. Dieser sagte gleich: "Na, macht nichts, wir wollen ihn in unserem Keller verstecken, damit du wenigstens zur Feierzeit Ruhe hast." Mit diesen Worten holten sie das in Tücher gewickelte Schwein herein. Als sie es auspackten, sah der arme Bruder das Schwein, und der reiche Bruder sagte: "Die Reichen haben mir nicht geholfen, aber du hast es getan, obwohl ich keine Hilfe brauche. Dafür sei dieses Schwein dein!" Von dieser Zeit an ließ er ab von seiner Freundschaft mit den Reichen.