169. Der Menschen Sünden

Ein alter Mann sei mit seinem Sohn auf einer langen Wanderung gewesen. Das Volk sei fremd, der Weg unbekannt gewesen. Es sei der Abend gekommen, aber ein Nachtlager hätten sie nirgends erhalten. Sie hätten dann endlich in der Ferne Feuer gesehen. Sie seien dorthin gegangen, hätten auch ein Nachtlager bekommen. Ein Altchen habe sie sehr freundlich aufgenommen, den alten Mann habe er zum Schlafen ins Zimmer gebeten, den Sohn aber draußen gelassen. Der Sohn habe sich auch auf der Fuhre wie eine Flachsnocke zusammengezogen, Es sei gar nicht viel Zeit vergangen, als er gesehen habe, daß sich viele Schlangen in den Wagen zu drängen begonnen hätten. Er habe sich sehr gefürchtet und habe auch ins Zimmer gehen wollen, aber die Zimmertür sei fest zu gewesen. Er habe dann eine auf den Dachboden führende Treppe gesehen, sei die Treppe hinauf auf den Dachboden gegangen. Dort seien sehr viele Menschenschädel gewesen. Zitternd sei er wieder hinuntergekommen und sei wieder hinausgegangen. Auf dem Hof habe ein Mensch, dem ein Beil in den Kopf geschlagen war, lang hingestreckt gelegen. Die Furcht des Sohnes sei sehr groß gewesen, er sei dann zur Pforte gelaufen. Hinter der Pforte wiederum hätten viele gewimmert: "Nimm mich, nimm mich!" Er habe wohl niemanden gesehen, aber habe sich wiederum gefürchtet und sei nach der anderen Seite des Hofes gegangen. Er habe dort Feuer gesehen, sei sehr fröhlich durch die Tür hineingetreten, im Glauben, dort Menschen zu finden. Die Tische seien gedeckt, die Speisen darauf gewesen, das Zimmer beleuchtet, der Mann mit der Frau hätten auf dem Ofen geschlafen. Aus ihrem Mund sei eine Schlange aus- und eingegangen, aus einem Mund gekommen, in den anderen gegangen. Er sei dann auch von dort weggegangen. (Die Erzählerin hat vergessen, was er noch gesehen habe, er habe aber noch viel gesehen: es ist viel Zeit vergangen, seit ihr diese Geschichte erzählt worden sei.)

Schließlich sei das Morgenlicht gekommen. Der Vater sei mit dem fremden Alten aus dem Zimmer herausgekommen und der Fremde habe gefragt: "Nun, Söhnchen, wie hast du denn geschlafen?" Der Sohn habe erzählt, was er in der Nacht gesehen hatte. "Ja, Söhnchen", habe der alte Mann gesagt, "dir wurden deine Sünden gezeigt." (Was Schlangen bedeuten sollen, daran erinnert sich die Erzählerin nicht mehr =die Begierden?) "Die Schädel auf dem Dachboden sind Menschen, die du mit deinen Gedanken getötet hast. Lasse niemals am Sonnabend abend das Beil im Pflock: er war, siehst du, jener Mensch, mitten auf dem Hof, das Beil im Kopf. Die, die hinter der Pforte riefen: "Nimm mich" und "Nimm mich", das sind die auf dem Feld unauf-gelesen gebliebenen Kornähren; ihr meint, ihr durft an Gott nörgeln und die Kornähren verfaulen lassen!" habe das Altchen geneckt, "den Armen will man aber nicht helfen! Das erleuchtete Haus und der gedeckte Tisch sind die Kirche und das Abendmahl, an dem du nicht teilnehmen willst. Und der Mann mit der Frau bist du mit deiner Frau: die Schlangen, die aus einem Mund in den anderen gehen, sind euer täglicher Zank und Streit. Sohn, tue keine Sünde!" habe das Altchen noch gemahnt, und plötzlich sei alles verschwunden, weder Haus noch Hof seien da gewesen. Der Vater und der Sohn hätten mitten auf dem Feld gestanden.

Seit dieser Zeit hätten der Vater mit dem Sohn und der Sohn mit der Frau gut miteinander zu leben begonnen.