160. Der Heilige geht zu Fuß über den See

In alter Zeit war ein großer Zu-Gott-Beter. Er lebte im Wald bei einem großen Baum und ging immer nur den Baum hinauf und wieder hinunter. Wenn er nach oben gehen wollte, betete er nur: "Herr, hilf mir jetzt hinauf!" Sobald er hinaufgekommen war, fing er wieder an hinunterzugehen und sagte wieder: "Herr, hilf mir hinunter!" So gelangte er wieder hinunter, und immer wieder ging er auf diese Weise, und er gab sich sehr Mühe und betete zu Gott sein Leben lang. Aber eines Tages gingen dort die Fuhrleute (bzw. Pilger) vorbei. Wie sie sahen, daß der Mann nichts tat, als den Baum hinaufzugeben und zu Gott zu beten, fingen sie an ihn zu belehren: "Was gehst du vergebens und bemühst dich so viel, lies doch nur Verschen ("Psalmen") und bete auf diese Art zu Gott. Gott hat auch darüber seine große Freude!" Da sagte er: "Was denn, ich würde wohl schon auch Verschen lesen, aber ich, Bruder, kenne keine." Aber die Fuhrleute sagten: "Wir kennen sie wohl." Da sagte der Beter: "Lehrt sie mich denn auch!" Da sagten die Fuhrleute: "Warum denn nicht?" und lehrten ihn auch, Verse zu lesen. Da gingen die Fuhrleute wieder weiter.

Es war dort ein großer See, und sie gingen um den See herum, dort mußten sie vorbeigehen. So gingen sie den ganzen Tag und die Nacht, und am nächsten Tag erst gelangten sie auf die andere Seite des Sees und gingen das andere Ufer entlang. So kamen sie bei jenem Ort an, wo der Mann zu Gott betete. Als dieser sie auf dem anderen Ufer des Sees erblickte, lief er zu Fuß über das Wasser. Und als er über den See zu den Fuhrleuten kam, fing er an zu bitten: "Lehrt mich nochmal jene Verse, die ihr mich gestern gelehrt habt: seht, sie sind mir aus dem Gedächtnis gekommen!" Aber die Fuhrleute sagten: "Was sollen dir unsere Verse schon helfen! Sieh, du bist doch viel heiliger; wie du siehst, gehst du zu Fuß über den See, und er trägt dich auf sich, uns aber trägt er nicht. So lohnt es sich für uns nicht, dich mit unseren Verschen zu verwirren. Vielleicht laden wir damit Sünde auf uns. Du aber mach jetzt weiter, wie du es für besser hältst, und bete zu Gott nach deiner Art, wir wissen dich nichts mehr zu lehren."