141. Die Weisen aus dem Morgenland

Als Jesus in Bethlehem im Lande Juda geboren wurde, kamen Weise aus dem Morgenlande, ihn anzubeten. Zuerst kamen sie in das Haus des Königs Herodes. Sie wurden, wie es Weisen gebührt, mit Ehren empfangen. Einer von ihnen nahm die Mütze nicht vom Kopf. Als Herodes ihn darüber befragte, ließ er sich also vernehmen: "Im Haus des Hurensohnes nehme ich meine Mütze nicht ab." Der andere aß nicht vom vorgelegten Braten. Auf die Frage des Herodes antwortete dieser: "Ich esse Hundebraten nicht." Der dritte schließlich trank nicht vom dargebotenen Wein, sondern sagte: "Wie kann ich denn denn Wein trinken, wenn im Weinfaß der Körper eines toten Kindes ist?"

Als die Weisen nun weiter gen Bethlehem gingen, wollte Herodes nachforschen, ob die Weisen die Wahrheit gesprochen hatten. Zuerst rief er den Koch zu sich und fragte: "Was für einen Braten hast du uns zu essen gegeben?" Der Koch erschrak, fiel zu Füßen des Königs nieder und bat: "Gnädiger König, erbarmt euch meiner! Da ich kein frisches Fleisch dabei hatte und eure Jagdhunde Junge hatten, ließ ich diese schlachten und braten." Herodes ließ ihn fortgehen. Er rief den Kelleraufseher, ging mit ihm in den Keller und ließ sich das Weinfaß zeigen, von wo dieser zum Mittag den Wein geholt hatte. Als nun das Faß entzweigeschlagen wurde, fand man im Wein den Körper eines toten Kindes.

Nun hatte der König Herodes zu wissen bekommen, daß zwei der Weisen die Wahrheit gesprochen hatten. Aber wie sollte er nun zu wissen bekommen, ob er selbst ein Hurenkind war? Es half kein anderer Rat, als daß Herodes Bettlerkleider anzog und herumstrolchen ging. Als er einige Zeit im Lande herumgestreift war, kam er eines Abends zu einer einsamen Sauna-Hütte und wollte dort zur Nacht bleiben. Als er eben eintreten wollte, hörte er zwei Stimmen auf folgende Weise sprechen: "Liebe Mutter, ich werde dieses neugeborene Kind umbringen; denn wohin soll ich mit dieser Schande gehen!" "Liebe Tochter, du hast wohl gefehlt, aber das mußt du doch nicht tun. Jetzt werde auch ich dir gestehen, daß ich nicht so sehr ehrbar bin, wie du und andere meinen; denn auch ich habe in meiner Jugend gefehlt. Aber ich habe die Frucht meiner Verfehlung nicht umgebracht, sondern legte sie in der Nacht, ohne daß es jemand zu sehen bekam, hinter die Tür von Menschen aus großem Geschlecht. Von dort nahmen diese sie an sich, erzogen ihn, und mein Sohn ist der jetzige König des Volkes Juda, Herodes. Mach auch du das, man weiß nicht, was noch aus deinem Kind werden kann."

Als Herodes das hörte, ging er fort nach Hause, denn er hatte jetzt das zu wissen bekommen, was er wissen wollte.