In alter Zeit war einem Mann die Frau gestorben und hatte drei Kinder hinterlassen, zwei Söhne und eine Tochter. Der Mann nahm später eine andere Frau, die sich um die Kinder nicht besonders zu kümmern schien. Außerdem kam zu jener Zeit eine sehr große, mehrjährige Hungersnot hinzu, so daß nirgends mehr etwas zu essen war. Dennoch ging der Hauswirt jeden Morgen auf die bloße Hoffnung hin den Acker bauen und pflügen. Einmal in jener Zeit, als der Hauswirt wieder im Wald war, hatte die Stiefmutter den Stiefsohn getötet und für den Mann, der aus dem Wald zur Mahlzeit kam, gekocht. Der Bruder des Getöteten, der wegen der Dürre sonst nirgends zu trinken bekam, hatte dessen Blut ausgetrunken, und die Schwester hatte die Knöchelchen in ein Seidentuch eingesammelt und unter dem Gartenzaun vergraben. Nachdem er getötet worden war, flog seine Seele hinauf in die Weide, verwandelte sich in einen Kuckuck und fing an zu singen:
"Wer hat mich getötet? Kuuku!
Die Stiefmutter hat mich getötet. Kuuku!
Wer hat mein Blut getrunken? Kuuku!
Der Bruder hat mein Blut getrunken. Kuuku!
Wo sind meine Gebeine geblieben? Kuuku!
Die Schwester hat meine Gebeine in ein Seidentuch gewickelt. Kuuku!" Als der Vater nach Hause kam, sang der Kuckuck wieder: "Iß nicht mein Fleisch, kuuku!" Der Vater, der diese Worte hörte, verstand sofort, was geschehen war. Er aß nichts, beklagte wehmütig den Tod des Kindes, aber die Sache konnte man nicht rückgängig werden lassen. Den Kuckuck aber können wir noch jedes Jahr als den Seelenvogel des unschuldigen Kindes sehen.