122. Wie der kleine Hans die Königstochter zum Lachen brachte

Der kleine Hans diente einem schrecklich bösen Hauswirt, der ihm auf alle Weise das Leben bitter machte. Trotzdem war Hans gehorsam und obendrein noch fröhlich, was wieder den Hauswirt wütend machte. "Warte nur", dachte er, "ich werde ihm schon das fröhliche Wesen austreiben!" Er nahm eine Katze, spannte sie vor einen Handschlitten und sagte zu Hans: "Geh jetzt mit der Katze in den Wald und bring mir eine gute Pferdefuhre Holz nach Haus; hüte dich aber, meinen Befehl nicht auszuführen!"

Hans setzte sich singend auf den Handschlitten, nahm die Zügel in die Hand und fuhr mit der Katze in vollem Galopp auf den Wald zu. Auf dem Weg kam ihm ein Hase entgegen, der sagte: "Wohin kommst du schon mit diesem Schwächling? Spann mich an, dann weißt du, daß jemand doch auch richtig zieht!" Hans spannte den Hasen an. Er war aber noch nicht in den Wald gekommen, als ein Fuchs mit spöttischem Gelächter herauskam und sagte: "Oho, auf welchem Markt hat unser Hans solch teure Rappen bekommen? Sie sind sogar zum Gähnen zu faul, spann mich an, ich werde euch drei schon weiterführen!" Hans spannte den Fuchs an, neben die Katze und den Hasen. Bald kam ihnen ein Hund entgegen, der fing ebenso an zu bellen: "Schau mal an, was für ein Angeber! Kommt mit drei Hengsten in den Wald, um andere zu schrecken, kommt aber auf keine Weise weiter, wenn auch die Zunge des Reineke Fuchses schon aus dem Mund hängt! Spann mich an, dann weißt du wenigstens, daß du ein Pferd hast!" Als der Hund angespannt worden war, kam Hans schon ordentlich vorwärts. Bald bekam er aber noch ein "Pferd" dazu, das war ein Wolf. Jetzt kam ihnen ein Bär entgegen und sprach: "Aber, lieber Hans, wohin willst du mit diesen Kadavern fahren? Spann mich an, ich kann immer ziehen!" Hans erfüllte den Wunsch des Bären und kam ein gutes Stück weiter, der Bär fuhr so, daß der Landkreis Viru zitterte.

Nach einiger Zeit kam ihnen ein Elch entgegen, der kläffte auf seine Art: "Schau mal, was für ein Marktbesucher! Wann ist Hans zum Lumpenhändler geworden? Wohin willst du mit ihnen fahren, bis zur Viru-Stadt oder noch weiter? Spann mich an, mich nennt man den König des Waldes, sieh mal, welch eine prächtige Krone ich auf dem Haupt habe!" Hans spannte den Elch zu den sechs anderen Gesellen. Der Elch aber fing an durchzugehen, fuhr den Schlitten entzwei und brachte die anderen Tiere um, zuletzt nahm auch er selbst ein Ende. So blieb also der kleine Hans allein im Wald.

Den dritten Tag trieb er sich so im Wald umher und kam nirgends heraus. Der Brotsack war auch leer, und der Bauch des kleinen Hanslein war schief wie die großen Schneebrocken, die im Frühling den Ebavere-Berg herunterrollen. Auf einmal hörte er aber zwei Hunde bellen. Hans ging dem Laut nach, aber er fand keinen einzigen Hund, bloß zwei Hundeköpfe hüpften und fielen unter. Die steckte Hans in den Sack. Bald hörte er das Fällen von Bäumen. Hans freute sich schon: er hoffte zu den Menschen zu geraten. Aber keine Menschen waren zu sehen, zwei Beile allein fällten Bäume. Die kamen auch in den Sack. Die Sonne stand schon im Mittag, als Hans einen wunderschönen Laut hörte. Er fing an, schärfer zu horchen und ging näher, sah aber niemanden. Dennoch schien es ihm, als ob zwei Mädchen sängen. Zuletzt fand er zwei Trollblumen, die sich gegeneinander verneigten und sangen. Auch die wurden in den Sack gesteckt.

Abends kam Hans aus dem Wald heraus und ging in die Viru-Stadt, wo er zu essen bekam. Dort wurde ihm gesagt, daß der König seine Tochter demjenigen zur Frau versprochen hat, der sie zum Lachen bringt: die Königstochter hatte nämlich bisher noch nie gelacht. Hans ging gleich zu dem König und sagte, daß er jeden zum Lachen bringen könne. Der König wollte das nicht glauben, lud ihn aber dennoch in die Stube ein, wo seine Tochter saß und sagte zu Hans: "Wenn du meine Tochter zum Lachen bringst, nehme ich dich zum Schwiegersohn; wenn du es aber nicht kannst, kriegst du eine gute Tracht Prügel!" Hans sagte kein Wort, nahm die Hundeköpfe aus dem Sack, legte sie auf den Fußboden; gleich fingen sie an zu bellen und zu hüpfen. Schon bog sich der Mund der Königstochter. Dann nahm Hans die Beile heraus, die fingen an zu hacken; schon waren die Zähne der Königstochter zu sehen. Als Hans aber die singenden Blumen hervornahm, lachte die wunderschöne Jungfrau aus vollem Hals. Mit Freude nahm der König Hans zum Schwiegersohn. So wurde der kleine Hans König über Viru.