121. "Des Weibes Sohn"

In alter Zeit war ein Weib. Es hatte ein kleines Söhnlein. Das Söhnlein fing an, sich seine eigene Gerste zu säen. Aber es konnte sie nirgendwo anders als hinter der Pritsche der Sauna säen. Da fing denn dort auch das Gerstchen schnell an zu wachsen. Aber aus dem Wald kam ein Hase zu seiner Saat. Da erzählte das Söhnlein dem Weib: "Ich habe das Gerstchen unter der Pritsche, und schon hat sich das Hüpferchen (=Hase) etwas von meiner Gerste weggenommen." Da lehrte ihn das Weib: "Geh in die Sauna wachen: sobald das Hüpferchen wieder in die Gerste kommt, wirf ihm die Zügel über den Kopf, den Zaum in den Mund und nimm es fest!" So machte es denn auch das Söhnlein: sobald das Hüpferchen in die Gerste kam, warf es ihm den Zaum in den Mund und die Zügel über den Kopf. Aber es konnte es nicht festhalten. So sprang es denn riksi-raksi-rittlings dem Hüpferchen auf den Rücken, das Hüpferchen aber gab Fersengeld, dem Wald zu, der Sohn des Weibes auf dem Rücken. So lief es im Wald, bis es zu einer zweiwurzligen Birke kam. Durch diese lief das Hüpferchen hindurch, der Sohn des Weibes aber blieb zwischen den Wurzeln hängen.

So fing er an, von dort aus aus dem Wald herauszugehen. Aber er war sehr tief im Wald geraten, so daß er den Ort durchaus nicht erkennen und nicht mehr nach Haus kommen konnte. So fing er an, nur aufs Geratewohl den Wald entlang zu gehen. So lange ging er, bis er einen Hund bellen hörte. Da wurde er sehr froh: "Jetzt komme ich zu den Menschen!" Und er fing an, auf den Laut hin dorthin zu gehen, aber als er hinkam, fand er nur den Schädel eines Hundes, sonst gab es nichts. So nahm er den Schädel des Hundes, legte ihn in seinen Halssack und fing wieder an weiterzugehen. Da hörte er vorne ein Pferd wiehern, da wurde er wieder froh: "Nun komme ich zu den Menschen!" Aber als er dorthin kam, wo jener Laut gewesen war, so war dort nichts als nur ein Pferdeschädel auf der Erde. Den nahm er und legte ihn auch in seinen Halssack und wanderte wieder weiter. Da hörte er, wie an einem Ort die Hähne krähten. Da ging er wieder frohen Mutes auf diesen Laut zu: "Jetzt komme ich zu den Menschen!" Aber auch dort fand er nichts anderes als den Schädel eines Hahnes. Da legte er auch diesen in seinen Halssack, aber selbst ging er nun weiter. Da hörte er, daß an einem Ort der Laut von Kleiderwaschen ertönte. Da wurde er sehr froh: "Jetzt komme ich endlich su den Menschen!" Er ging aus dem Wald heraus, aber als er hinzukam, fand er dort nur zwei Waschkeulen, sonst nichts. Da steckte er die Keulen auch in den Sack und ging wieder seines Weges.

So gelangte er schließlich auch zum Waldrand. Da kam er zu einer Königsstadt. Nun ging er in die Stadt. Aber dort in der Stadt war sehr großer Kummer unter dem Volk: Seht, der Königstochter war auf den Brüsten ein Eisenklotz gewachsen. So waren schon Ärzte aus aller Welt zusammengerufen worden, ob irgendjemand sie zu heilen verstünde, aber keiner konnte etwas erreichen. Nun hatte der König große Sorge und drohte, alle Ärzte zu töten, wenn sie seine Tochter nicht heilen würden. So wanderte nun der Sohn des Weibes auch durch die Stadt und hörte von dieser Not. Er sagte: "Wieso verhalten sie sich, als wäre es etwas so Besonderes, sie gesund zu machen! Ich könnte sie wohl heilen!" Daraufhin wurde er zum König gebracht: "Sieh, dieser Mann versprach, deine Tochter zu heilen." Da wurde der König wieder vergnügt und sagte: "Meine Tochter ist sieben Jahre krank gewesen, und niemand vermag sie zu heilen, aber du wirst nun meine Tochter heilen. Wenn du sie aber nicht heilen kannst, dann geschieht es mit dir wie mit den anderen Ärzten - den Kopf ab!'' Der Sohn des Weibes tat nun nichts anderes, als daß er den Halssack in die Hand nahm, und dann wurde er zur Königstochter gebracht. Dort tat er auch nichts anderes, als daß er seinen Halssack ausschüttete, und da kamen nun alle diese Sachen heraus, die darin waren, und wurden lebendig: der Schädel des Hundes fing an zu bellen, der Schädel des Pferdes zu wiehern und der Schädel des Hahnes zu krähen, und die Waschkeulen fingen an zu waschen. Da mußte sich die Königstochter unendlich wundern: "Sieh, was man in aller Welt noch nicht gesehen hat, oi-oi, welch ein Wunder, wenn sie so einen drolligen Laut geben!" Da lächelte die Königstochter, aber da fiel auch schon der Eisenklotz von ihren Brüsten herab, und so wurde die Königstochter gesund. Als das dem König bekannt wurde, freute er sich sehr. Er fragte gleich: "Wer hat sie gesund gemacht?" Da wurde gesagt: "Der Sohn des Weibes." Da urteilte denn der König: "Sehet, ich habe meine Tochter demjenigen zur Frau versprochen, der sie gesund macht. Also bekommt sie jetzt der Sohn des Weibes zu eigen."

So wurden sie auch getraut, und dann schickte der König den Sohn des Weibes mit seiner Frau nach Hause und gab ihnen viel von allem Hab und Gut mit. Aber das alte Weib sorgte sich zu Hause schon sehr: "Das Hüpferchen hat meinen Sohn in den Wald gebracht, wo soll ich jetzt meinen Sohn hernehmen? Wie wird er jetzt noch nach Hause kommen?" Das Weib aber hatte ein Hündchen, das bellte immerfort draußen:

"Der Sohn des Weibes kommt heim,

Eine Herde vor sich und eine Herde hinter sich,

Die Geldlade auf der Hand,

Eine junge Frau an der Hand."

Als aber das Weib das hörte, nahm sie den Stock und schlug das Hündchen auf die Beine: "Was schwatzt du, alte Hure?" Da blieb das Hündchen stöhnend liegen, aber es kam der Sohn des Weibes heim mit großem Glockengeläute, sein junges Weib hatte er mit sich und auch viel Hab und Gut. Wie die Mutter das sah, wurde sie sehr froh, daß das Hündchen die Wahrheit gesagt hatte. Sie nahm das Hündchen, legte es in den Wollscheffel, pflegte und fütterte es, so wurden die Beine des Hundes mit der Zeit auch wieder heil. Aber der Sohn des Weibes fing mit seiner Frau und jener reichen Habe an, gut zu leben, und so ist auch das Märchen zu Ende.