119. Drei Geschenke der Bettler

Als ein alter Knecht einem Hauswirt 30 Jahre lang gedient hatte, sagte er den Dienst auf und glaubte mit seinem Lohn wohl leben zu können. Den ganzen Lohn der 30 Jahre hatte er noch nicht bekommen. Aber der geizige Hauswirt gab ihm nicht mehr als drei Kopeken. Das war für den Knecht wohl schwer, aber er murrte nicht, noch ging er zum Gericht; er nahm den winzigen Lohn gelassen entgegen und ging auf die Reise. Unterwegs kamen ihm drei Bettler entgegen und baten um ein Almosen. Der Mann nahm die drei Kopeken aus der Tasche, gab sie den Bettlern und sagte: "Mehr Geld habe ich nicht als dieses, das ich verteilt habe; das war mein Lohn für 30 Jahre." Die Bettler wunderten sich sehr über seine Güte und sagten: "Wir haben noch keinen so gütigen Mann wie dich gefunden. Deshalb schenken wir dir drei Dinge: einen Sack, in den alle Tiere oder Menschen hineinmüssen, an die du denkst; eine Pfeife, die du so schön spielen kannst, daß alle danach tanzen müssen; und eine Feder, die du an den Hutrand stecken mußt, wenn du wie ein Vogel fliegen willst." Der Mann nahm die Geschenke mit Freude entgegen und ging wieder weiter.

Als er am Hof der bösen Geschehnisse vorbeigehen wollte, wurde er festgehalten, weil er auf der Grenze ging, und ihm wurde gesagt: "Wenn du drei Dinge vollbringst, dann wirst du frei; wenn nicht, dann kommst du für drei Jahre in die Gefangenschaft. Erst nimmst du einen Dieb fest, der eine Menge Gefangene gestohlen hat. Dann mußt du so spielen, daß unser Herr zu tanzen beginnt. Drittens holst du von der Spitze des hohen Turms den Knopf herunter."

Dann wurde der Mann in einer Kammer eingesperrt, von wo die Gefangenen gestohlen worden waren. Um Mitternacht kam der Dieb und sagte: "Neunund-zwanzig Gefangene habe ich schon von hier fortgebracht, und das ist jetzt der dreißigste. Steh auf und komm mit mir!" Der Knecht sagte: "Warum hast du es so eilig?" Er nahm seine Weidenpfeife und fing an zu spielen. Als der Dieb der Gefangenen den Ton der Pfeife hörte, fing er gegen seinen Willen an zu tanzen, bis er müde war, dann machte der Knecht seinen Sack ("den Mund seines Sackes") auf und sagte: "Dies ist mein Sack." Im Augenblick sei der Teufel in den Sack hineingekrochen, und der Mann habe den Sack wieder zugebunden und sich schlafen gelegt. Als die Leute am Morgen nachsehen kamen, waren alle froh, daß der Dieb festgenommen worden war. Der Knecht brachte den Sack am gleichen Tage in die Schmiede, wo er drei Tage lang mit zwei Hämmern pausenlos geschlagen wurde. Dann brachte er den Sack aus der Schmiede auf den Gutshof und schüttelte ihn unter den Augen des ganzen Volkes aus.

Ein Wunsch war erfüllt, die beiden anderen mußten noch erfüllt werden. Darauf nahm er seine Pfeife und fing an, auf ihr zu spielen. Sobald er seinen Pfeifenton hören ließ, fingen der Herr und alle anderen Menschen sofort an zu tanzen, so daß sie sehr schwitzten. Schließlich hörte er mit seiner Pfeifenmusik auf, legte die weiße Feder an den Mützenrand und flog wie ein Vogel hinauf auf die Turmspitze und holte vom Ende der Haube den goldenen Knopf herunter.

Später durchzog er noch mehrere Länder und vollbrachte wunderbare Taten. Schließlich war er des Erdenlebens müde und wollte in die Hölle gehen. Als aber der alte Teufel ihn gesehen habe, habe er schon von weitem geschrien und habe seinen Knaben gesagt: "Macht die Pforten zu, laßt ihn nur nicht herein! Das ist der berühmte Sack-Toomas, von dem ich euch erzählt habe." Der Mann habe ihre Angst verstanden, habe die weiße Feder wieder an den Mützenrand gesteckt und sei vor die Himmelspforte geflogen, wo er seine Pfeife zu spielen begann. Als sie das hörten, hätten sie sich gefreut (die Himmlischen), die Pforten aufgemacht und ihn hineingelassen.