114. Die zwölf Freier

Als ein Mann einmal im Wald spazierte, fand er ein Storchnest, in dem zwölf Eier lagen. Er nahm sie mit nach Haus und ließ sie ausbrüten. Statt der Vögel kamen aber zwölf Knaben aus den Eiern heraus. Derjenige, der zuletzt herauskroch, war kleiner und elender als die anderen und blieb auch im späteren Leben etwas dummerhaft. Der Vater kaufte seinen Söhnen zwölf Äxte und schickte sie aus, Wald zu roden. Nachdem dies geschehen, säte er dort Weizen. Da bemerkte er einmal, daß jemand seinen Weizen stahl. Er schickte seine Söhne einen nach dem anderen auf die Lauer, doch vergebens: die Knaben schliefen immer ein und fanden so den Dieb nicht. Als der dummerhafte Knabe an der Reihe war, kletterte er auf einen Tannenbaum, um besser sehen zu können. Um Mitternacht kamen auch die Diebe, es waren zwölf Hengste und eine Stute. Sie näherten sich dem Kornfeld und begannen zu fressen. Zum Glück blieb die Stute gerade unter dem Baum stehen, auf dem der Knabe saß. Er sprang herunter, setzte sich auf sie und begann das Tier zu schlagen. Die Stute aber bat, daß er es nicht tun würde und versprach, ihm dafür die zwölf Hengste zu geben. Der Knabe ritt nach Haus und schenkte jedem Bruder einen Hengst. Für sich selbst behielt er den allerhäßlichsten, denn die Stute hatte ihm diesen Rat gegeben.

Die zwölf Brüder beschlossen nun, auf die Freite zu gehen. Nachdem sie eine Zeitlang vergebens hier und da angeklopft hatten, kamen sie an ein Haus, in dem zwölf Mädchen wohnten. Sie wurden freundlich empfangen und alle verlobten sich. Nach alter Sitte mußten sie sich zur Nacht ein jeder mit seiner Braut hinlegen. Sie taten es auch, zogen aber die Kleider der Mädchen an. In der Nacht kam der Teufel, um die Brüder zu töten. Da sie aber in Mädchenkleidern waren, hielt der Teufel sie für seine Töchter und brachte die anderen um. So waren die zwölf Brüder denn wieder so klug wie davor. Froh, daß sie die Töchter des Teufels losgeworden waren, eilten sie nach Haus.

Da sagte das Pferd des jüngsten Bruders, daß er das Tuch, den Kamm und die Gläser, die sich dort befanden, mitnehmen solle. Der tat es auch so. Sobald der Teufel sah, daß er seine eigenen Töchter umgebracht hatte, kannte seine Wut keine Grenzen, und er machte sich sofort auf, die zwölf Brüder zu verfolgen. Als er ihnen schon ganz nah war, warf der jüngste Bruder das Tuch herunter. Daraus entstand ein Fluß, und es dauerte lange, bis der Teufel eine Brücke gebaut hatte und herüber konnte. Doch kaum war er wieder nahe herangekommen, warf der jüngste Bruder den Kamm auf die Erde. Sogleich entstand ein dichter Wald. Wieder brauchte es Zeit, bis der Teufel den Wald abgeholzt hatte. Inzwischen hatten die Brüder und die Pferde sich in Schweine verwandelt. Das Pferd des jüngsten Bruders aber wurde zum Hirten. Der Teufel kam hinzugelaufen und fragte den Hüter, ob er nicht die zwölf Brüder gesehen habe. Dieser verneinte es und erzählte, daß sein Vater sie wohl vor 99 Jahren gesehen habe. Der Teufel kratzte sich hinter den Ohren und verschwand. Darauf nahmen die Schweine wieder ihre frühere Gestalt an und verschwanden auch.