110. Des Flachses Marter

In alter Zeit, als der Teufel ("der alte Heide") eifrig auf der Erde arbeitete, lebte ein Ehepaar, das sich stets mit bösen Worten einer dem anderen widersetzte. Einmal, als sie sich wieder eine Weile gezankt hatten, sagte der Mann zu der Frau: "Der Teufel hole dein Geschlecht!''

Nach einiger Zeit wurde ihnen eine Tochter geboren, die sehr hübsch im Gesicht war. Da kommt der Teufel, sie für sich zu holen, denn der Mann hatte ja einmal gesagt: "Der Teufel möge dein Geschlecht holen!" Die Frau traut sich nicht, ihm das Mädchen zu geben, entschuldigt sich, daß es noch sehr klein sei: "Laß es noch wachsen." Der Teufel ließ auch ab. Es vergingen ein paar Jahre. Wieder kam der Teufel. Aber auf die Entschuldigung der Mutter hin ließ er es auch dieses Mal wieder da bleiben.

Ein drittes Mal kam der Teufel, sagte zu dem Mädchen: "Komm, laß uns von hier fortgehen, denn dein Vater und deine Mutter haben dich mir versprochen." Das Mädchen bat sich das Flachsbund zur Hilfe. Dieses versprach, ihm zu helfen. Nun fing das Flachsbund an, zu dem Teufel zu sprechen: "Höre, Nachbar, ich werde dir meine mühselige Lebensgeschichte erzählen. In meiner Jugend wuchs ich lieblich auf. Als ich groß wurde, wurde ich am Schopf gepackt, hochgerissen, mit einer Schnur um den Hals zusammengebunden und ins Wasser gelegt. Dort wurde ich einige Zeit gehalten; dann wurde ich aus dem Wasser herausgenommen, auf dem Boden ausgebreitet, wo man uns wieder für einige Zeit liegen ließ. Danach sammelte man uns von der Erde auf und legte auf die Riegenlatte zum Trocknen. Von der Riegenlatte nahm man uns wieder fort, brach unsere Knochen zwischen zwei Hölzern zu Stäbchen, die haften blieben; diese wurden mit einem hölzernen Schwert abgeschlagen. Schließlich wurde ich mit einem Eisenkamm sehr fein gehechelt, damit aus mir beim Spinnen ein recht feines Garn würde, das dann die Menschen gebrauchen, um sich damit zu bekleiden."

Plötzlich fing der Hahn an zu krähen. Der Teufel verschwand. Mehr blieb nicht von ihm übrig als ein Tropfen blaues Wasser auf der Erde. Der Teufel fürchtet den Hahnschrei, denn ab dem Hahnenschrei, das heißt vor Mitternacht, kann er auf der Erde umherschweifen, nach der Halbnacht nicht mehr. Auf diese Weise rettete das Flachsbund das Mädchen aus den Händen des Teufels, denn es hatte dem Teufel die Zeit bis zum Hahnenschrei vertrieben.