11. Der hungrige Wolf und der Mann

Einmal sei ein Wolf zu dem Himmelsvater gekommen und habe seinen Hunger geklagt. Der himmlische Vater habe geantwortet: "Wenn du mit einem Mann zusammentriffst, erlaube ich dir, ihn zu reißen." Auf dem Weg sei dem Wolf ein Knabe begegnet. Der Wolf habe gefragt: "Bist du ein Mann?" Der Knabe habe entgegnet: "Ich bin es nicht, sondern des Mannes Sprößling." Im Weitergehen sei ihm eine Frau entgegengekommen. Der Wolf habe sich erkundigt: "Bist du ein Mann?" Die Frau wiederum: "Nein, sondern des Mannes andere Hälfte." Weiter traf er einen Greis. Der Wolf fragte: "Bist du ein Mann?" Der Greis: "Nein, sondern des Mannes Ende." Wieder weiter. Jetzt kommt ihm wirklich ein Mann entgegen. Der Wolf fragte: "Bist du ein Mann?" Der Mann: "Ich bin es." Der Wolf: "Ich werde dich auffressen. Der Himmelsvater hat es mir erlaubt!" Der Mann: "Friß zu, wenn dir das erlaubt ist. Zuerst muß ich aber in den Wald gehen und einen Maßstock holen. Ich muß wissen, ob ich auch in deinen Bauch hineinpasse."

Der Mann holt aus dem Wald eine kräftige Stange. Damit fängt er an, die Länge des Wolfes zu messen. Er beginnt am Kopf, kommt bis zum Schwanz. Plötzlich faßt er den Schwanz fest, und setzt mit der Stange Hiebe auf den Wolf. Der Wolf möchte den Mann gern beißen, kann es aber nicht, sein Körper biegt sich nicht. Der Mann drischt, was er kann und wetzt ihm das Fell von den Seiten ab. Der Wolf heult von den Hieben fürchterlich.

Auf das Geschrei hin kommt eine Schar anderer Wölfe hinzu. Jetzt weiß der Mann keinen anderen Rat mehr, als auf den nächsten Baum zu klettern. Die Wölfe bleiben lauernd unter dem Baum und denken, wie wohl der Mann zu bekommen wäre. Sie reichen nicht bis nach oben hin. Schließlich sagt der geprügelte Wolf: "Wollen wir uns auf einen Haufen übereinander legen?" Die anderen sind einverstanden. Der geprügelte Wolf legt sich ganz unten hin, die anderen auf ihn drauf. Der Mann sieht von oben zu, was die Wölfe tun. Schon ist es ein ganz hoher Stapel von Wölfen, einer über dem anderen. Der Mann fängt plötzlich an von oben zu rufen: "Ach du kahle Seite, Prügel hast du schon gekriegt, und noch viel mehr wirst du bekommen!" Die "Kahlseite" hat Angst vor dem Prügeln, springt vor Schreck auf, und der ganze Stapel Wölfe fällt um. Die "Kahlseite" rennt im Prügel-Schreck wie von tausend Feuern getrieben in den Wald, die anderen Wölfe hinterher.

Der Mann rettet sich glücklich vom Baum herab. Er geht nach Hause, und kein Wolf wagt es mehr, ihn zu belästigen.