109. Zweierlei Sauna

Einst war eine Waise, die Vorarbeiterin eines Gesindes, wegen häuslichen Arbeiten zu spät in die Sauna gegangen. Die anderen waren schon vor einiger Zeit nach Hause gegangen, als sie in die Sauna ging. Beim Ankleiden sei ein kleines Männchen mit grauem Bart gekommen, sei zu der Waise getreten und habe gebeten, es ordentlich zu quästen. Es habe gesagt: "Daß du dich wegen mir, altem Menschenstück, nur nicht zu viel abmühst! Pack mich fest am Schopf, wirf mich auf die Schwitzbank, dann hol von draußen ein Bündel Nesseln und quäste mir damit den Rücken!" Das Waisenkind aber habe den alten Mann hübsch auf die Schwitzbank gehoben und ihn mit einem Badequast aus weichen Birkenblättern sauber gequästet.

Danach habe das Altchen gesagt: "Zieh mich nun an den Haaren von der Schwitzbank hinunter, nimm einen von den Hitzsteinen auf dem Ofen und wasch mich damit ab!" Aber das gutherzige Waisenkind habe ihn wieder von der Schwitzbank heruntergenommen, seinen Kopf mit seiner eigenen Seife abgewaschen und ihm in die Kleider geholfen. Bevor es sich anschickte zu gehen, habe das Altchen seinem Bader ein kleines Kästchen gegeben und gesagt: "Nimm dieses Kästchen von mir als Lohn für deine Mühe! Aber öffne es nicht eher als oben auf dem Berghügel im Beisein anderer Menschen!"

Das Waisenkind sei nach Hause gegangen, habe den Kasten geöffnet. Dieser sei von einem Ende bis zum anderen mit kleinen goldenen Schmucksachen - Spangen, Ringen usw. - erfüllt gewesen. Habe man irgendein Stück aus dem Kästchen herausgenommen, habe es sich augenblicklich in seine gewöhnliche Größe verwandelt, habe man es zurückgelegt, sei es wieder klein geworden. Als das Waisenkind auf Verlangen der anderen erzählte, daß es diesen Kasten von einem alten Mann für das Quasten bekommen habe, sei im Herzen der Tochter des Gesindenbesitzers auch der Wunsch nach solchen Schmuckstücken aufgestiegen.

Am nächsten Samstagabend sei sie nach dem Quasten der anderen in die Badestube (Sauna) gegangen. Auch zu ihr sei der graue Alte gekommen, um sich quästen zu lassen. Er habe wieder befohlen, daß sie ihn am Schopf auf die Schwitzbank und von dort hinunter heben, mit einem Nesselbesen quästen und mit einem Hitzstein seinen Kopf reiben würde. Die Haustochter habe alles auf ein Haar so getan, wie der alte Graue befohlen: habe ihn an den Haaren auf die Schwitzbank geschleppt, mit dem Nesselbund gequästet und anstatt der Seife mit dem Hitzstein gewaschen.

Als der alte Mann sich die Kleider angezogen habe und habe hinausgehen wollen, habe die Haustochter ihn auch um etwas Lohn fürs Quästen gebeten. Der alte Mann habe ihr dann eben solch ein kleines Kästchen wie vorher dem Waisenkind geschenkt und sie belehrt: "Laß eines Tages alle deine Verwandten zusammenkommen, schicke die Bedienten und fremde Menschen aus dem Haus und mach dann das Kästchen auf!"

Die Haustochter sei nun frohen Herzens auf den Berghügel nach Hause gegangen. Sie habe den Eltern die Badegeschichte von Anfang bis Ende erzählt. Diese hätten auch bald alle Verwandten zusammengerufen. Als die Verwandten beisammen gewesen seien, sei das Gesinde aus der Kammer hinaus auf den Hof geschickt worden. Nun habe die Haustochter ihr Wunderkästchen geholt, um es den anderen zu zeigen. Als sie sich angeschickt habe, es zu öffnen, hätten sich die Verwandten alle ordentlich nahe heran zum Sehen gedrängt, hätten gedacht, daß dort kostbare Schimuckstücke seien.

Aber och, du Tausend und Feuriger! Sobald die Haustochter den Deckel auf dem Kasten geöffnet habe, sei von dort aus die ganze Kammer voll Feuer und Rauch gesprüht worden. Von den Anwesenden sei niemand mit dem Leben davongekommen, sondern alle seien wegen der Habgier der Haustochter mitsamt dem Haus zu einem Aschenhaufen verbrannt.

Das gutmütige Waisenkind sei alsbald die Frau eines Haussohnes geworden, mit dem sie bis zur Todesstunde glücklich gelebt habe.